DEUTSCHLAND NAHE
DEUTSCHLAND NAHE Schäfer-Fröhlich INTERVIEW mit Tim Fröhlich Wir nahmen 2019 als ganz großen Jahrgang wahr, der wider Erwarten enorm pur und frisch ausfällt. Worin bestanden deiner Meinung nach die Herausforderungen? 2019 ist ein großartiger Jahrgang, der – wie ihr sagt – eine unglaubliche Frische und Präzision zeigt, und von dem ich viel erwarte. Aus den vergangenen warmen Jahren haben wir gelernt, sehr gut damit umzugehen und uns darauf einzustellen. Vor allem im Weinberg zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun, das Laubwandmanagement ans Jahr anzupassen, damit vor allem die Rieslinge nicht zu schnell zu reif werden. Sicherlich trägt auch die Region Nahe mit ihren steilen, steinigen Spitzenlagen (die auch etwas höher liegen, bis 320m) zur Erhaltung der Frische bei. Sehr in die Karten gespielt haben uns die kühlen Nächte im September, die früher kamen als vergleichsweise 2018. Die hohen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht stabi- lisieren die Säure und verlangsamen deren Abbau. Dies war förderlich für die sehr feinen, präzisen Weine aus 2019. Was zeichnet den Jahrgang 2019 für dich persönlich aus? Und wie fühlt es sich an, wenn kaum jemand die aktuelle Kollektion bisher verkosten konnte? Nach einem ausgiebig warmen Sommer sind wir froh, dass sich die Weine aus dem Jahrgang 2019 wider Erwarten sehr fein, kühl und frisch präsentieren. Es scheint, dass die kühlen Nächte im September glücklicherweise prägender für die Charakteristik des Jahrgangs waren als die kurze Hitzeperiode im Sommer. Tatsächlich war es sehr ungewohnt, dass in diesem Jahr noch keine offizielle Veranstaltung oder Verkostung stattfinden konnte. Keine ProWein, keine Weinbörse, keine Besuche bei unseren Partnern und Freunden. Dazu war bis Mitte Mai die Verkostung auf dem Weingut nicht möglich. Wir konnten uns daher noch mehr als sonst auf die Weinberge konzentrieren aber auch auf Dinge, für die sonst nur bedingt Zeit ist. Seit Mitte Mai dürfen wir wieder Gäste zur Verkostung empfangen und ein wichtiger Teil unseres Tagesablaufs ist zurück. Die Möglichkeit wird auch sehr gut angenommen und wir haben täglich Weinproben. Der Jahrgang kommt sehr gut an bei unseren Kunden und das Feedback ist überwältigend. Es ist schön, das zumindest ein Teil „zurück“ ist. Vulkangestein und Schiefergestein sind für viele Kunden nicht nur eine Vorfreude auf die großen Weine, sondern auch eine Art „kleines“ Großes Gewächs. Welche Reifeerfahrung hast Du mit diesen kleinen Wunderweinen? Unsere Terroirweine kommen ausschließlich aus unseren Top-Lagen, und zwar aus Weinbergen, die uns in letzter Konsequenz noch nicht alt genug für die Großen Gewächse sind. Jahr für Jahr unterscheiden sich unsere Rieslinge vom Vulkangestein und vom Schiefergestein deutlich in ihrer Mineralität. Tendenziell werden die Weine eher jung getrunken, aber ihre Herkunft verleiht ihnen auch großes Reifepotential. Seit etwa 10 Jahren machen wir die Terroirweine und egal, welchen Jahrgang ich heute aus dem Keller hole, faszinieren sie alle aufgrund ihrer Frische, Klarheit und Mineralität. 6 Sondermailing Deutschland | Juli 2020
Schäfer-Fröhlich NAHE DEUTSCHLAND Wir nahmen die letzten Jahre eine eindrucksvolle Konstanz der Stilistik wahr, die auch der Klimaveränderung und den warmen Jahrgängen in ihrer Klarheit und der puren Stilistik trotzt. Welche Schritte wurden dazu in Vergangenheit notwendig? Aus diesem Grund pflegen wir unsere Stilistik auch sehr und perfektionieren lediglich. Diesbezüglich bin ich eher Traditionalist und kein Freund von ständigen Veränderungen. Wir bleiben unserem Weg treu. Im Übrigen kommt der Stil mit seiner feinen, präzisen und klaren Mineralik und eher frischen und kühlen Aromatik den warmen Jahrgängen sehr entgegen, da sie einen wunderbaren Gegenpol liefert. Viel wichtiger erscheint uns die perfekte und konsequente Arbeit in jedem Arbeitsschritt vom Weinberg bis zur Abfüllung, wo nichts dem Zufall überlassen wird. Seit wann zeichnest Du für die Weine verantwortlich? Meine Eltern übergaben mir sehr früh die Verantwortung für den Betrieb. Bereits 1995 bereitete ich eigenverantwortlich, mit 21 Jahren, den ersten Jahrgang. "Das stetige Streben, Jahr für Jahr ein kleinwenig besser zu werden, das Optimale aus dem Jahrgang herauszuholen, muss „gelebte Normalität“ sein." Auf unserer Felseneck-Vertikale sämtlicher Großer Gewächse hat sich das Felseneck als eines der stärksten Großen Gewächse eindrucksvoll geschlagen. Für viele gibt es ab ca. 2013 nochmals einen großen Schritt, der noch mehr den Fokus auf das Gestein und die Präzision legt, ähnlich wie im Weingut Keller. Worin lässt sich das deiner Meinung nach begründen oder gab es zu dieser Zeit nochmals neue Faktoren abseits der allgemeinen Erfahrung? Schön, dass ihr das so seht! Es ist einfach ein kontinuierliches, bedachtes Verfeinern der Stilistik, in die Richtung, in die man die Weine selbst gerne trinken möchte. Noch puristischer, feiner, schnörkelloser, präziser und letztendlich maximal terroirgeprägt. Das stetige Streben, Jahr für Jahr ein kleinwenig besser zu werden, das Optimale aus dem Jahrgang herauszuholen, muss „gelebte Normalität“ sein und vor allem Spaß machen. Die Motivation, dies Jahr für Jahr zu erreichen, geben mir meine eigenen und andere großartige Weine aus der ganzen Welt. 7
