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PINwand N° 292

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Weinmagazin von Pinard de Picard - Erlesene Weine und Feinkost. Ausgabe November 2018.

DEUTSCHLAND MOSEL

DEUTSCHLAND MOSEL Weingut Joh. Jos. Prüm großen Erklärung für den Genuss. Das Spiel der zarten Frucht in den jungen Weinen verzaubert erfahrene Weinliebhaber wie Amateure gleichermaßen. Was manche Weinfreunde an den J.J. Prümschen Rieslingen in deren Jugend vielleicht als eigenwillig empfinden, ist eine von der Gärung mit wilden Hefen herrührende Note, die im Übrigen viele spontan vergorene Weine in ihrer Jugend aufweisen, die sie aber, wenn sie auf die Flasche kommen, zumeist schon verloren haben. Weil beim sanften Weinausbaustil der Prüms allerdings die Entwicklung der „Babyweine” zugunsten ihrer Lagerfähigkeit abgebremst wird, bleiben diese Töne hier wesentlich länger präsent und brauchen auch nach der Abfüllung oft viele Monate, bisweilen ein bis zwei Jahre der Lagerung, bis sie ganz verschwinden. In dieser frühen Entwicklungsphase benötigen die Weine einfach ungeheuer viel Luft, um sich zu entfalten. Dieser ureigene J.J. Prümsche Stil führt aber in der Konsequenz zu gigantisch langlebigen Weinen. Bisweilen schmecken noch 20 Jahre junge Kabinette oder Spätlesen wie ein sprudelnder, kristallklarer Gebirgsquellbach. Es ist ihre unfassbare Eleganz, welche die Rieslinge auszeichnet und nicht unbedingt eine überbordende Komplexität. Man findet nicht eine vordergründig konzentrierte Aromenvielfalt in den Weinen, die einem sofort erschließen würde, dass es sich um einen komplexen Wein handelt. Die Rieslinge leben vielmehr von ihrer wunderschönen Balance und Frische, die sie auch mit Jahrzehnten der Reife beibehalten und ihrem ungeheuren Trinkfluss. Selbst die Auslesen wirken sehr klar und auch in wärmeren Jahren nicht überreif und üppig. Die Kabinette gehören zu den „kabinettigsten“, wenn man denn überhaupt von einem typischen Kabinett-Stil sprechen kann und auch die Spätlesen besitzen eher einen feinen, herben Charakter bei intensiverem Aroma anstatt lediglich dicker als ein Kabinett daherzukommen. All diese Facetten prägen den Hausstil seit Jahrzehnten und sind Zeugnis großer Winzerkunst. Joh. Jos Prüm ist ein Weinhaus, bei dem die Tradition gesiegt hat. Gerade in den letzten Jahren erleben die im Alkohol leichtfüßigen Weine wieder eine Renaissance. Weine, die für kühles Klima stehen. Und indem sie so nur hier an der Mosel erzeugt werden können, sind sie weingewordenes Zeugnis ihrer Herkunft. Zur Charakteristik der legendären Prümschen Lagen Das Weingut Prüm besitzt einige Parzellen in den berühmtesten Lagen rund um Wehlen. Eine Besonderheit sind die größtenteils noch erhaltenen wurzelechten Reben in den Steillagen. Wie allgemein an der Mosel üblich, bedeutet die Arbeit in den Steillagen allerhärteste Knochenarbeit. In der Wehlener Sonnenuhr findet deshalb auch eine stellenweise Flurbereinigung statt, die den Arbeitsaufwand erleichtern soll. Leider wurden hierbei auch wurzelechte Parzellen zerstört. Opfer des ‚angeblichen’ Fortschritts. Glücklicherweise betrifft diese Erneuerung der Lagen die der Familie Prüm nicht so dramatisch wie manch andere Winzer. Wenn man das Glück hat, eine Reihe unterschiedlicher Weinbergslagen und Jahrgänge über die verschiedenen Prädikate hinweg vergleichend verkosten zu können, wird man schnell bemerken, dass sich eine leichte stilistische Tendenz bei den verschiedenen Lagen herausstellt. Die Rieslinge aus dem Graacher Himmelreich sind besonders in den ersten Jahren sehr zugänglich. Insgesamt gehören sie zu den expressivsten Weinen aus dem Hause und wirken noch am maskulinsten und ungeschliffensten dank ihrer kecken Säure. Die Wehlener Sonnenuhr ist eine steile Süd-Südwesthanglage mit Schiefer-Verwitterungsboden. Sie erweist sich als exzellenter Langstreckenläufer. Oft in der Jugend verschlossen und dicht gepackt, entwickelt sie sich über die Jahre zu einem hochkomplexen und finessenreichen Wein von feiner Frucht und Würze. Die Wehlener Sonnenuhr zeigt die ganze Eleganz und verkörpert damit den Bilderbuch-Riesling aus dem Hause Prüm. Die Bernkasteler Badstube scheint uns nicht minder spannend zu sein. Die Weine aus dieser Lage besitzen eine markant stahlige Säure und auch in reiferen Jahrgängen eine knackige Frucht. Dr. Manfred Prüm bescheinigt der Badstube daher „Saar-Charakter“, eine Umschreibung, welche die Stilistik nicht präziser ausdrücken könnte! Der aktuelle Jahrgang 2017 Der Jahrgang 2017 gehört für uns mit zu den brillantesten der letzten zehn Jahre. Unserer Meinung nach waren die Rieslinge in diesem Zeitraum nie klarer, nie präziser und ausgewogener als aktuell. Auch die sonst dominante Spontanvergärungsnase ist stark zurückgewichen. Die Verkostung des Jahrgangs im August zeigte fruchtige und glasklare 54 PINwand 292 | November 2018

Weingut Joh. Jos. Prüm MOSEL DEUTSCHLAND Rieslinge mit knackiger Säure und schöner Reife, auch wenn die Mengen ob der Spätfröste und Hagel leider um die Hälfte reduziert wurden. Daher wird es dieses Jahr auch keinen einfachen Kabinett aus den verschiedenen Lagen geben. Dies ist jedoch leicht zu verkraften, hat man erst die grandiose 2017er Kollektion verkostet. Im Grünen Salon des Hauses, umgeben von vielen Jahrzehnten Weingutstradtion und mit Blick auf die Wehlener Sonnenuhr, erschließen sich die Rieslinge und deren Philosophie vielleicht am besten. In aller Ruhe die feinen Eigenheiten der Lagen zu erschmecken und das Entwicklungspotential der Weine über verschiedene Jahre zu ertasten, gehört zu den größten Freuden, die wir als Weinbegeisterte erleben können. Diese individuellen Weinpersönlichkeiten sind zweifellos die Quintessenz des Rieslings von der Mosel, eine Hommage an die größte Weißweinrebe der Welt, unglaublich komplex, fein und wundervoll seidig, von großer Tiefe und Eleganz. Flüssige Träume vom gleißenden Schiefer in einer Dimension, die man geschmeckt haben muss, da sie sich letztendlich in ihrer hintergründigen Vielschichtigkeit jeder Beschreibung entziehen! Es sind Rieslinge, die von einem unfassbar betörenden Spiel und einer grazilen Leichtfüßigkeit getragen werden. J.J.s emotional berührende Weinunikate verkörpern mit ihrer singulären, schwebenden, durchscheinenden Duftigkeit und ihrem tänzerischen Ausdruck auf der Zunge eine unvergleichliche Transparenz! DMO112217 Graacher Himmelreich, Riesling Kabinett 2017 2017 9% Vol. 30,00 €/l 22,50 € Der expressive Kabinett: Sturm und Drang Die Stärke der Rieslinge aus dem Graacher Himmelreich ist ihre besonders in den ersten Jahren verführerische Zugänglichkeit. Es ist die expressivste Lage des Hauses und oft finden Novizen ihren Favoriten in Weinen aus dem Himmelreich. Kein Wunder, denn auch dieser Kabinett aus dem Niedrigertragsjahrgang 2017 besticht durch ein duftiges Bouquet mit Gewürzbirne, Sternfrucht, Ingwer und frisch geriebener Limettenschale. Hier passiert richtig was in der Nase und am Gaumen, und das obwohl alle prümschen Rieslinge stets sehr subtil aus- 55

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