FRANKREICH SÜDWESTEN Bordatto DOMAINE BORDATTO JAXU (PAYS BASQUE) Neu bei Pinard de Picard! Die Apfelflüsterer und „vignerons cidriers“ Pascale und Bixintxo Aphaule machen fantastischen Bio-Cidre aus dem französischen Baskenland – oder: „rendre la pomme à nouveau grande!“ Cidre (oder Cider) ist ein Thema für Weinfreunde, daran kann es keinen Zweifel geben. Zumal es kein Zufall ist, dass die vielleicht renommierteste, sicherlich tiefgründigste Publikumszeitschrift in Sachen Wein, das Magazin The World of Fine Wine, die auf die Aufbereitung zeitgeistiger Themen nicht eben gesteigerten Wert legt, nun vor immerhin sieben Jahren den profilierten Weinautor Jim Clarke in einem langen Artikel – „Consider the apple – A cider primer“ (etwa: „Am Beispiel des Apfels – eine Cider-Fibel“) ausgiebig zu diesem Getränk zu Wort kommen ließ. Dort schreibt er unter anderem: „Von allen Früchten der Welt wird nur die Weintraube in ihrer vergorenen Form weitgehend respektiert. Beerenweine und dergleichen sind weitgehend (und zu Recht) auf Bauernhöfe beschränkt und zeigen selten, wenn überhaupt, Raffinesse oder Komplexität; ein Erdbeerwein schmeckt mehr oder weniger nach Erdbeeren, während ein Traubenwein nur in den seltensten Fällen traubig schmeckt. Wenn es denn eine Frucht gibt, die an die Fähigkeit der Traube herankommt, ein vergorenes Produkt zu erzeugen, das der Kennerschaft würdig ist, dann ist es der Apfel (und sein naher Verwandter, die Birne) – in seiner vergorenen Form, als Cider.“ 48 PINWAND no 342 | August 2022
Bordatto SÜDWESTEN FRANKREICH kys kredenzt werden, von dem ein Gläschen mehr kostet als die monatliche Leasingrate unseres Bugatti Chiron Super Sport. Wenn wir aber von Cidre sprechen, fehlt uns häufig ein wenig der „kulturelle Anker“. Mit „Apfelwein“ können viele schon mehr anfangen, erst recht wenn man aus dem Frankfurter Ballungsgebiet bzw. dem Insgesamt-Hessischen („Ebbelwoi“, „Stöffche“) oder dem moselfränkischen Sprachraum („Viez“) stammt, und eine schon fast natürliche, weil standortimmanente Beziehung zu diesem Getränk hat. Nun ist der Apfelwein in Frankfurt erst um das Jahr 1600 einschlägig, aber immerhin wurde 1638 per Ratsverordnung eine Reinhaltungsbestimmung festgelegt, an die sich Apfelweinkelterer sogar heute noch halten müssen. 1754 wurde die erste Schankerlaubnis in Frankfurt erteilt, von diesem Zeitpunkt an wurde das Getränk dann auch versteuert. Das profundeste Nachschlagewerk dieser Zeit weiß davon (noch) nichts oder nur wenig: Wir wissen zum Beispiel, was Wein ist – ganz gleich, ob es ein teurer Château Pétrus, ein „Weißherbscht“ oder der selbstgemachte Rhabarberwein der Großmutter ist. Ob süß, gereift oder tanninbetont, mit Bläschen oder ohne, rot, weiß oder rosa – wir wissen, was Wein ist. Selbst wenn er in Dosen angeboten wird, ordnet unser Gehirn ihn bereits als Wein und nicht als Bier ein, und wir wissen, dass es sich um ein alkoholisches Getränk handelt, das aus Trauben hergestellt wird, auch wenn wir nicht wissen, wie genau es hergestellt wird. Wir wissen auch, was Bier ist – egal, ob es sich um ein mehr oder minder gelungenes Industriepilsner oder ein völlig „durchgeknalltes“ Double Dry Hopped New England India Pale Ale aus der regionalen Craft-Brauerei des Vertrauens oder das in der heimischen Badewanne selbstgebraute Helle des Schwippschwagers handelt. Ganz gleich, ob fruchtig, hefig oder sauer, dunkel oder hell, en gros, en detail oder in Mikromengen produziert, ob in der Flasche, in der Dose (sowie, Gott bewahre, in der PET- Flasche) oder vom Fass – wir wissen, was Bier ist. Wir wissen, wie es riecht, und wir wissen höchstwahrscheinlich, dass es mit Hopfen hergestellt wird, auch wenn wir kaum einen Schimmer davon haben, was eigentlich Hopfen ist oder warum er für Bier nun wichtig ist. Und wir wissen auch, was Spirituosen sind, ob sie nun als „Kurzer“ oder Teil eines Herrengedecks auf den Tisch kommen, gemischt im Cocktail landen oder in Form eines betagten Whis- „Man macht auch an etlichen Orten von dem ausgepreßten Aepffel-Safft Sider-Eßig und Aepffel-Tranck oder Aepffel-Wein, Aepffel- Moſt, Lateinisch Pomaceum, Franzöſiſch Cidre genannt, welcher zwar lieblich aber nicht gar geſund zu trincken. In England und der gegen über gelegenen Franzöſiſchen Landschafft, die Normandie genannt, wird ein Wein aus Aepffeln gepreſſet, von deſſen Zubereitung, Gebrauch und Tugend der Englische Edelmann Worlidge ein eigenes Buch Vinetum Brittanicum or A Treatise of Cider betittelt geſchrieben.“ (aus: Johann Heinrich Zedlers „Grosses vollſtändiges Universal-Lexicon aller Wiſſenschafften und Künſte, welche bißhero durch menschlichen Verſtand und Witz erfunden und verbeſſert orden“ von 1731–1754) Auch auf den nächsten fünf engbedruckten Seiten schweigt sich der „Zedler“ aus, und wenn man dem Verweis auf den erstgenannten, lateinischen Begriff folgt, wird es kaum besser: „Pomaceum, Franzöſiſch Cidre, Deutsch Aepffelmoſt, ist Aepffelsaſt, der wie ein Wein geworden iſt, nachdem er gegohren hat. Man schreibt dessen Erfinung den Normännern oder Inwohnern der Normandie zu, welche wegen ihres kalten Climatis keinen Weinbau haben können, und da sie die Unkoſten gescheuet, den Wein von weitem zu holen, aber doch kein Waſſer trincken wollen, auf dieſe Erfindung verfallen, daß ſie die Obſt-Gärten angelegt, und die davon geſammelten Aepfel und Birnen, wann ſie zu ihrer Zeitigung gelanget, geſtampft und ausgepreßt, nachmahls aber in die Fässer gefüllt, und verjähren laſſen.“ Auch hier (und den sich anschließenden, recht weitschweifigen Textpassagen) wird das Ebbelwoi-Paradies nicht erwähnt. Bleibt der Cidre: „Cidre, also wird aus denen Aepffeln oder Birnen ausgepreſte Geträncke in England und Franckreich gennent, welches vermittelſt der Gährung einen recht wein-ſäuerlichen Geschmack an ſich nimmt. Es muß aber das Obſt, ſo man hierzu brauchen will, recht reiff, hart, frisch und ſaftig, aber ja nicht weich und teigig ſeyn, dennoch aber eine Weile gelegen haben. Dieſes wird auf die bequemſte Art klein gequetſchet, und der Safft davon heraus 49
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